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12.10.2016

BNN: Leberwurstbrote sind am beliebtesten

Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KARLSRUHE | 10.10.2016     Seite 25



St. Franziskus bietet Abendessen für Bedürftige
Zahl der Bedürftigen ist über Jahre stetig gewachsen

Von unserer Mitarbeiterin Nina Setzler
Kapuzinerbrüder leben hier seit 25 Jahren nicht mehr, aber ihre Tradition lebt weiter: Jeder der anklopft, bekommt etwas zu essen. Im ehemaligen Pfarrkloster St. Franziskus im Dammerstock öffnet sich jeden Abend um Punkt 18 Uhr die Tür zwischen Eingangsflur und Klostergebäude. Zwischen 15 und 30 Bedürftige – je nachdem, ob der Monat gerade begonnen hat oder endet – bekommen hier ein warmes Abendessen. Zuerst kommen Tee und Brote.
Käse, Salami oder Leberwurst? „Leberwurst, bitte!“, lautet fast jede Antwort. Heute ist nämlich Freitag, da bringt Doris Hildenbrandt, eine der ehrenamtlichen Köchinnen, den Brotaufstrich aus der Pfalz mit. „Ihre Leberwurstbrote sind legendär!“, lacht Kollegin Christel Obert.
Die Obdachlosenspeisung in St. Franziskus basiert auf Sach- und Geldspenden von Gemeindemitgliedern oder Betrieben. „Neulich sind einige Vereinsfeste ins Wasser gefallen, deshalb hatten wir auf einen Schlag 300 Stück Fleisch“, erzählt Silvia Burkardt, die die Obdachlosenküche zusammen mit Andrea Schoelle-Willmsen leitet. Im Lauf der Jahre hat sich ein Netzwerk an Spendern etabliert, Bäcker und Metzger packen ihre übrigen Waren in eine Tüte, jemand aus dem Team holt sie dort ab.
Darum wird spontan entschieden, was aus den frischen Spenden gekocht wird und vielleicht mit haltbaren Lebensmitteln aus der Vorratskammer ergänzt. „Aus den Sachen vom Erntedankaltar haben wir einen Gemüseauflauf gemacht“, erzählt Silvia Burkardt.
Rund 50 Frauen aus der Gemeinde engagieren sich in der ehemaligen Klosterküche, manche jede Woche, andere einmal im Monat. „Die Zeiten haben sich geändert – wer kleine Kinder und einen Beruf hat, kann vielleicht nicht so oft helfen wie die Älteren“, sagt Silvia Burkardt. Mit ihren beiden Mitstreiterinnen startet sie um 16.30 Uhr die Vorbereitungen, kocht große Thermoskannen Tee, schmiert Brote, stapelt Tassen und Teller in den Küchenaufzug. Auf der Anrichte steht eine riesige Schüssel mit Nudelsalat, den sie ein letztes Mal durchmischt. In Mannschaftstöpfen köchelt Suppe auf dem Herd, zwei Marmorkuchen werden in Stücke geschnitten.
„Es gibt schon manchmal Gerangel ums Essen“, berichtet Silvia Burkardt, als sie ein Tablett nach oben zum Eingangsflur trägt. „Aber man ist ja lernfähig. Deshalb verteile ich die Brote jetzt einzeln an die Besucher.“ Tee und Nudelsalat holt sich jeder selbst, bevor er sich wieder an seinen Platz setzt. Nur drei Männer essen im Stehen, hinter einen kleinen Tisch in der Ecke gedrängt. Wollen sie nicht bei den anderen sitzen? „Lieber in guter Gesellschaft stehen, als in schlechter Gesellschaft sitzen!“, sagt einer der Männer und bestätigt, dass man untereinander schon mal Zoff bekomme.
Zur Essensausgabe kommen heute nicht mehr nur Obdachlose, sondern bedürftige Menschen aus dem gesamten Stadtgebiet, teils sogar von weiter her. „Ich kenne die meisten, aber heute sind auch zwei neue Gesichter dabei“, bemerkt Silvia Burkardt. Einer der beiden neuen stammt aus Polen. Er schlafe am Hauptbahnhof, erzählt er, dort hätte er von der Möglichkeit erfahren, hier zu essen. „Ich habe leider noch keine Arbeit gefunden“, sagt er. Ein anderer Mann möchte auf keinen Fall fotografiert werden. „Ich bin gerade in der Bewerbungsphase.“
Die ehrenamtlichen Helfer sind ganz nah dran an den Schicksalen der Menschen. „Einer kann das Pflegeheim für seine Frau bezahlen, indem er hier kostenlos isst“, erinnert sich Silvia Burkardt. Ihre Kollegin Doris Hildenbrandt ergänzt: „Wir geben auch Essen mit, wenn etwas übrig bleibt. Aber einmal wollten wir jemandem Suppe einpacken, doch er sagte, er kann sie daheim nicht erwärmen, weil ihm der Strom abgestellt worden sei.“
In St. Franziskus wird täglich außer sonntags gekocht, im Unterschied zu den meisten anderen Angeboten für Bedürftige in Karlsruhe findet die Ausgabe abends statt. „Ich lasse hier auch Leute zu, die betrunken sind. Die müssen ja schließlich auch etwas essen!“, sagt Silvia Burkardt. Obwohl es nicht immer friedlich zugeht, haben alle einen Weg für sich gefunden. Die katholischen Gemeindedamen kümmern sich rührend um ihre Gäste. „Wir halten immer ein paar Käsebrote bis zum Schluss zurück, damit die Vegetarier auch noch was kriegen“, verraten sie. Anfang des Monats kommen weniger Gäste als gegen Ende, die Zahl der Besucher ist über die Jahre stetig gewachsen. „Das Angebot spricht sich herum, und das ist ja auch gut so“, sagt Silvia Burkardt. Als die Tür aufgeht und ein Nachzügler hereineilt, greift sie sich das Tablett mit den Broten und ruft: „Es ist noch was da.“

 

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ZUR ESSENSAUSGABE kommen nicht nur Obdachlose, sondern bedürftige Menschen aus dem gesamten Stadtgebiet.


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IN DER KÜCHE der Pfarrkirche St. Franziskus im Dammerstock bereiten (von links) Christel Obert, Silvia Burkardt und Doris Hildenbrandt das Abendessen zu. Gekocht wird dort täglich, außer sonntags. Fotos: jodo
 
 
 

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