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14.11.2015

BNN: Die Existenz steht auf dem Spiel - Bahn-Projekt Weiherfeldbrücke und die Folgen

Geschäftsleute klagen über Umsatzeinbußen

Von unserem Redaktionsmitglied Patrizia Kaluzny
 
Von der Baustelle an der Unterführung der Weiherfeldbrücke hat Tanja Belezis die Nase gestrichen voll. „Mir steht’s hier“, sagt die Inhaberin des Lotto-Ladens in der Neckarstraße im Weiherfeld und macht eine eindeutige Handbewegung. In diesem Herbst – nach zwei Jahren Sperrung – sollte der Neubau der Eisenbahnbrücke und der Unterführung zwischen Weiherfeld und Beiertheim fertig, die Durchfahrt für Autofahrer wieder freigegeben sein. Doch weit gefehlt. Die Baustelle bleibt. Voraussichtlich erst Mitte 2016 soll die Straße vollständig für den Autoverkehr freigegeben werden, wie die Deutsche Bahn im September mitteilte (die BNN berichteten). Die Bahn braucht für dieses rund 23-Millionen-Euro-Projekt ein Jahr länger als geplant.
„Das ist eine Unverschämtheit“, findet Tanja Belezis. „Und die Bahn hält es nicht einmal für nötig, uns zu informieren. Ich habe es aus den BNN erfahren.“ Die Umsätze sind zurückgegangen, für Tanja Belezis steht inzwischen die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel: „Es geht an die Substanz, ich habe jetzt einen Kredit aufnehmen müssen“, sagt die Ladeninhaberin. Sie habe sich auf zwei Jahre eingestellt, dass es nun ein ganzes Jahr länger geht, treffe die Mutter von zwei Kindern hart. „Dazu kommt, dass die Leute, die jetzt so lange Zeit eine Umleitung fahren mussten, in der Regel sechs Monate brauchen, bis sie sich wieder umgewöhnt haben.“ Die Stammkunden aus dem Stadtteil halten Belezis Lotto-Laden die Treue, „aber es fehlt der Durchgangsverkehr“. Auch all die Geschäftsleute aus Bulach, Beiertheim und aus der Karlstraße, die abends regelmäßig ihre Post vorbeigebracht haben. „Den Umweg nimmt verständlicherweise keiner in Kauf“, weiß Belezis. „Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum das so lange geht. Am Anfang wurde sogar nachts gearbeitet – aber in den letzten Monaten sah man manchmal tagelang keinen Arbeiter dort“, ärgert sich die Ladenbesitzerin.
Mit ihrem Ärger ist Tanja Belezis nicht alleine. Auch andere Gewerbetreibende aus Weiherfeld beklagen sich. „Natürlich ist das ein Umsatzkiller, natürlich haben wir Einbußen im Kundenfluss.“ Annemarie Burkart vom Wäschefachgeschäft Lulu in der Enzstraße findet deutliche Worte. „Gott sei Dank haben wir viele liebe Stammkunden, die auch einen Umweg in Kauf nehmen.“ Aber es gibt auch Kunden, die offen sagen, dass sie erst wieder kommen, wenn die Brücke offen ist, berichtet Burkart. „Wir waren uns sicher, dass die Bauarbeiten in diesem Herbst beendet sind. Wir haben sogar schon ein Fest geplant, um mit unseren Kunden zu feiern“, berichtet sie. Die lange Sperrung sei immer wieder Thema unter den Kunden im Laden. „Mein Eindruck ist aber auch, dass die Bewohner Weiherfelds inzwischen ein Stück weit resigniert haben“, so Burkart, die ebenfalls die fehlende Information vonseiten der Bahn vermisst. „Das macht man nicht, das ist nicht schön gegenüber den Betroffenen.“
Nur ein paar Schritte von Lulu entfernt, ist die Metzgerei Vogt. Auch dort beklagt Filialleiterin Kornelia Stephany den Kundenschwund: „Seit Beginn der Baustelle sind es im Schnitt acht bis zehn Kunden weniger pro Tag – auf den Monat gerechnet kommt da einiges zusammen.“ Und ob diese Kunden zurückkommen, daran zweifelt Stephany. „In der Regel ist es doch so, dass sich diese Leute andere Läden suchen – und wenn sie dort zufrieden sind mit der Beratung und mit der Qualität der Produkte – warum sollen sie dann wieder wechseln?“ Auch in der Metzgerei ist die gesperrte Brücke immer wieder Gesprächsthema. „Viele wundern sich vor allem darüber, dass die Baustelle immer wieder brach- lag. Weit und breit war kein Bauarbeiter zu sehen.“
Zwischen Lulu und der Metzgerei Vogt befindet sich die Bäckerei Reinmuth. Erst im Mai eröffneten Stefan und Barbara Reinmuth, die ihre Backwaren in Bulach produzieren, die Filiale. „Das haben wir uns natürlich etwas anders vorgestellt“, sagt Barbara Reinmuth. „Als man uns nach Weiherfeld an diesen Standort lockte, hieß es, die Enzstraße sei eine Durchgangsstraße und ein beliebter Schleichweg zur Brücke.“ Von der um ein Jahr längeren Bauzeit und Sperrung war damals noch keine Rede. „Dazu haben wir noch Konkurrenz im Dammerstock bekommen – freuen tut uns das alles nicht“, so Barbara Reinmuth.
Immer wieder berichteten Bewohner aus Weiherfeld verwundert, dass sich an der Baustelle manchmal tagelang nichts tat. Auch der Vorsitzende des Bürgervereins Weiherfeld-Dammerstock, Joachim Hornuff, sprach erst vor wenigen Wochen von einer „geringen Personalbesetzung“, die er häufig beobachtete. Inzwischen haben dort Arbeiter der Stadtwerke mit der Verlegung der Fernwärmeleitung in Richtung Hauptbahnhof begonnen. „Die Arbeiten sollten planmäßig im Sommer beginnen und jetzt fertig sein“, bestätigt eine Sprecherin der Stadtwerke auf BNN-Anfrage. Zu der Verzögerung sei es gekommen, weil die von der Deutschen Bahn beauftragte Baufirma den Zeitplan nicht eingehalten habe. Für den Bau der neuen Brücke sei ein provisorisches Fundament errichtet worden. Dieses hätte nach der Fertigstellung der Brücke wieder abgebaut werden müssen. „Das aber ist nicht passiert“, so die Sprecherin der Stadtwerke. Und so versperrte das provisorische Fundament der Fernwärmeleitung den Weg. Nach Angaben der Stadtwerke werden die Arbeiten drei bis vier Monate in Anspruch nehmen. „Es hängt natürlich viel von der Witterung ab – wenn im Winter der Boden gefroren ist, kann nicht gearbeitet werden“, sagt die Sprecherin der Stadtwerke. Und die Bahn? Die schweigt.

 

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BESONDERS HART trifft es Tanja Belezis und ihren Laden in der Neckarstraße. Seit über zwei Jahren ist die Unterführung zwischen Weiherfeld und Beiertheim gesperrt und damit der Durchgangsverkehr unterbrochen. Foto: jodo
 
 
 

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