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10.05.2021

BNN: „Bora Bora“ statt „Ora et labora“

BNN Karlsruhe, Samstag, 10. Mai 2021, Seite 7

Karlsruher Künstlerin Heidi Herzig überträgt ihre Performance aus dem Kloster St. Franziskus

Keine Nonnen, keine Gottesdienste, nur eine Schlagersängerin allein im Kloster. Und um die dreht sich ein Youtube-Kanal. Die Karlsruher Medienkünstlerin Heidi Herzig nimmt Zuschauer via Livestream mit hinter die Mauern des ehemaligen Kapuzinerklosters St. Franziskus in Weiherfeld-Dammerstock. Dort gibt sie Einblicke in den ungewöhnlichen Klosteralltag.

"Es gibt mich, aber eben auch diese Kunstfigur, die Schlagersängerin."
Heidi Herzig, Medienkünstlerin

Die Absolventin der Karlsruher Hochschule für Gestaltung (HfG) hatte bereits eine Ausstellung im Badischen Kunstverein und wurde 2017 für ihr Gemeinschaftsprojekt „Auf der Reling – Spuren an einem Element“ mit dem Preis der Badischen Beamtenbank ausgezeichnet. Ihre aktuelle Kunst-Performance dreht sich um die von ihr geschaffene Schlagersängerin, eine Kunstfigur, in der sie ihre Leidenschaft für Schlager und Popmusik auslebt. Ungewöhnlich: beide tragen denselben Namen, die Grenzen zwischen der Künstlerin und ihrer Fiktion sind deshalb fließend. In der Vergangenheit hat die gebürtige Dresdnerin häufig mit Pseudonymen gearbeitet. Für die Schlagersängerin als Protagonistin ihres Klosterprojektes habe sie ihren eigenen Namen zum ersten Mal als stimmig empfunden. „Da steckt schon alles drin, was man braucht – Menschlichkeit und Schlager“, erklärt sie. „Deshalb gibt es mich als Heidi Herzig, aber eben auch diese Kunstfigur, die Schlagersängerin Heidi Herzig.“

Seit neun Monaten lebt die Medienkünstlerin in den Räumen, die früher von Mönchen bewohnt wurden. Denn in dem weitgehend leerstehenden Kloster wird seit Juni 2019 mit Wohnmöglichkeiten experimentiert. Nach einem Umbau soll es einer geistlichen Gemeinschaft, aber auch weiteren Gästen aus dem Stadtviertel als Übernachtungsmöglichkeit und Ruheort offenstehen. „Der Plan ist, dass auch immer ein Künstler oder eine Künstlerin ein paar Wochen bis Monate hier lebt, so wie ich derzeit“, sagt Herzig. Ihr Performance-Kunstprojekt ist Teil von „Kunst am Stadtkloster“.

Erste Überlegungen für eine dauerhafte Künstlerresidenz im Kloster lieferte die Ausstellungsreihe „Der gefaltete Raum“. Hier stellten im Juli 2019 HfG-Studierende ihre Kunstwerke in den Räumen des Klosters aus und machten sogar Räume selbst zu Kunstwerken, indem sie etwa Kirchenbänke und Altar verrückten und neu anordneten. Nun möchte die Künstlerin Heidi Herzig ihre Live-Performance nutzen, um die Öffentlichkeit filmisch mit den Räumlichkeiten des Klosters sowie dem 3.000 Quadratmeter großen Klostergarten vertraut zu machen.

Für die Schlagersängerin hat sie sich eine eigene fiktive Geschichte erdacht, um die sich die Performance dreht: Die Schlagersängerin Heidi Herzig soll nämlich schon seit zwei Jahren im Kloster leben. Nach Beendigung ihrer „So wie Du“-Schlagertour in 2019 habe sie sich entschieden, sich der Öffentlichkeit zu entziehen. Um der Sängerin für ihr dortiges Leben grobe Richtlinien zu geben, hat sich die Medienkünstlerin zudem in Anspielung auf den Klosternamen die „Ordnung der San Franziska“ ausgedacht.

Deren Lehren gehen auf Notizbücher der fiktiven Unternehmensberaterin Franziska Sommer zurück, die diese dem Kloster hinterlassen hat. Darin steht etwa, warum aus „Ora et labora“ (übersetzt: „bete und arbeite“) das Motto „Bora Bora“ geworden ist. Denn, wie die ehemalige Fabrikarbeiterin Herzig vor ihrer Gesangskarriere, hat auch die Unternehmensberaterin Franziska Sommer ein Herz für Fabrikarbeiter und beschäftigt sich mit deren Wünschen. Sehnsuchtsort vieler sei die exklusive Insel Bora Bora. „Die ist bekannt für ihr blaues Wasser. Deshalb habe ich als Ordensfarbe für San Franziska Blau gewählt und als zentrales Element das Wasser, das immer wieder ins Spiel kommt“, erklärt die Wahl-Karlsruherin das Umfeld, in dem sich ihre Kunstfigur bewegt.

Die Performance verspricht Abwechslung. Eine Woche lang wird jeden Tag für drei Stunden live gesendet. Die Uhrzeiten wechseln, damit man am Ende einen Tag und eine Nacht in diesem Orden gesehen hat. Je nachdem, wann man einschaltet, sieht man gewöhnliche Dinge wie Frühstück, Mittag- und Abendessen oder wie die Sängerin das Gelände abgeht, mit darin verteilten Kunstwerken interagiert, sogar Trampolin springt oder Handstand macht. „Ja, San Franziska empfiehlt mehrmals täglich einen Handstand zum Perspektivwechsel. Ich glaube, das müsste man eigentlich allen Leuten verschreiben“, erklärt Künstlerin Herzig. Der Prozess, bis man diesen hinbekommt, und die Wiederholung tun gut, ist sie überzeugt.

Außerdem können Zuschauer die Schlagersängerin bei ihren regelmäßigen „Gebeeten“ im Klostergartenbeet beobachten oder sie zu ihrer morgendlichen Routine an und in der Alb begleiten. Und ganz selten, wenn Herzig nachts vom „Schlagerfeuer“ heimgesucht wird, sieht man, wie sie ihre Visionen in gefärbte Salzteigkunst einknetet. „Das sind oft Momente, die wie ein Stillleben wirken, zu dem man ab und an etwas hört. Man muss nicht die ganze Zeit hinschauen. Man kann auch einfach mal nur lauschen“, sagt die Künstlerin. Wie sie verrät, wird in den Videostreams irgendwann auch der Karlsruher Schlagersänger José auftauchen und sich bemühen, die Kollegin zur Rückkehr auf die Bühne zu bewegen.

Aus dem Gesamtmaterial um ihre Schlagerfigur Heidi Herzig will die Medienkünstlerin einen Film collagieren. Dieser soll aus drei Teilen entstehen: Der erste soll Sequenzen von dem 2019 erschienenen Album „So wie du“ enthalten, für das auf dem Schiff MS-Karlsruhe auch ein Musikvideo gedreht wurde. Der zweite Teil besteht aus Szenen ihrer aktuellen Kloster-Performance und der dritte aus Sequenzen, die erst 2022 im Rahmen eines nächsten Schlageralbums entstehen sollen.

Die Performance wurde im März aufgrund von Krankheit der Künstlerin unterbrochen und wird ab Dienstag, 11. Mai, fortgesetzt. Tägliche Streamingtermine unter www.stadtkloster-karlsruhe.de. Live übertragen wird die Performance auf dem Instagramkanal „@_______werbung“ (7x Unterstrich) und kann jeweils einen Tag später auf dem Youtube-Kanal „San Franziska“ geschaut werden.

 

 

 


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