Anmelden

Mitteilungen aus Weiherfeld-Dammerstock

Aktuell Archiv Veröffentlichen Abonnieren

< zurück

03.10.2014

BNN: Der Ofen geht langsam aus


 

Peter Winkler schließt Ende November seine Traditionsbäckerei im Weiherfeld / Einen Nachfolger gibt es nicht

Von unserem Redaktionsmitglied Patrizia Kaluzny

Wohlige Wärme empfängt den Besucher in der Backstube von Peter Winkler. Der Duft nach frisch gebackenem Brot, Brötchen und süßen Stückchen kitzelt die Nase. Der Bäckermeister ist eben erst vom Spaziergang mit seinem Hund Felix zurückgekehrt. Ein paar Minuten später steht er, frisch umgezogen, wieder in der Backstube und holt die letzte Ladung Brezeln – für viele seiner Kunden die Besten in der Stadt – heraus, die im ausgeschalteten Ofen in der Zwischenzeit ausgekühlt sind. Sehr oft wird er das nicht mehr tun. Ende November ist Schluss, für immer. Zum ersten Dezember schließt Peter Winkler seine Bäckerei im Weiherfeld.

Die Entscheidung fiel recht spontan, sagt er. Sie hatte nichts mit wirtschaftlichen Gründen zu tun, oder mit dem Verdrängungsprozess im Bäckerhandwerk durch große Bäckereiketten und Discounter, wie man vielleicht vermuten könnte. Im Gegenteil: „Meine Kundschaft ist grandios und goutiert unsere Arbeit. Es kommen viele junge Leute zu uns, es macht großen Spaß“, sagt Winkler. Auch die soziale Anerkennung seines Handwerks sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Es sind persönliche Gründe, die ihn zu diesem Schritt bewogen haben: Zwei seiner Sportskameraden, die jünger als er waren, sind innerhalb kurzer Zeit gestorben. „Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich bin 62 Jahre alt und werde nun mal nicht jünger“, so Winkler. Er halte sich zwar mit viel Sport fit, die Arbeit in der Backstube sei aber körperlich sehr anstrengend und fordere ihren Tribut. Sein Arbeitstag beginnt um 2.30 Uhr in der Nacht, samstags sogar schon um 0.30 Uhr. „Früher bin ich um 22 Uhr ins Bett gegangen, heute muss ich schon nach den Nachrichten schlafen gehen.“ Für seine große Passion, das Klettern, bleibt ihm kaum Zeit. Auf große alpine Klettertouren gar muss er verzichten. „Aber wenn ich älter werde, kann ich da auch nur noch kleine Brötchen backen“, sagt er und lacht.

Der Backofen des traditionellen Handwerksbetriebs erlischt ausgerechnet im Jubiläumsjahr. Es ist genau 50 Jahre her, als Peter Winklers Vater Reinhard – langjähriger CDU-Stadtrat – die Backstube übernahm, die seit 1927 in der Belchenstraße besteht. Das Bäckerhandwerk liegt in der Familie. „Mein Opa machte seine Meisterprüfung vor genau 100 Jahren“, erzählt Winkler. Die Familienbäckerei befand sich einst in Grünwettersbach. Dass er in dritter Generation selbst mal Brötchen formen und Brezeln schlingen würde, war nicht von Anfang an klar. „Ich hab das Gymnasium besucht und hatte nicht vor, Bäcker zu werden.“ Doch die Schulzeit lehrte ihn, dass ihm das Handwerkliche doch näher lag als binomische Formeln. „Es ist unheimlich zufriedenstellend. Ich mache etwas mit meinen Händen und sehe, wie sich Kunden über die Sachen freuen.“ Einen Nachfolger für die Bäckerei, die sich im Haus der Familie befindet, gibt es nicht, bedauert der Bäckermeister. Kinder haben er und seine Frau Karen keine. Und im Bäckereihandwerk mangele es an engagiertem Nachwuchs. Für einen potenziellen Nachfolger wären zudem die Hürden sehr hoch: Die Maschinen in Winklers Backstube sind veraltet. „Ich darf weiterbacken, weil ich Bestandsschutz genieße.“ Ein Nachfolger dürfte das nicht, er müsste laut Winkler zunächst gut 200 000 Euro in eine neue Backstube investieren. „Das stemmt keiner“, so Winkler. Hinzu kommen neue Hygieneverordnungen, die die Kosten nach oben treiben sowie Energiekosten, die stetig steigen. Das gesetzliche Umfeld sei in den vergangenen Jahren auch immer schwieriger geworden, bedauert er. „Man macht inzwischen so viel Dinge, die nichts mit dem eigentlichen Handwerk zu tun haben.“ In all den Jahren ist sich Peter Winkler stets treu geblieben. Trends kamen und gingen, der Bäckermeister aber setzte auf die Tradition. „Wir sind nicht auf jeden Zug aufgesprungen.“ In seinem Regal findet man keine „Omega-3“-angereicherten Brote, Konservierungsmittel und Farbstoffe kommen ihm ebenfalls nicht in den Teig. Es gibt auch keinen Kaffee to go.

Es falle ihm nicht leicht, den Schlussstrich zu ziehen. „Ich schiebe den Tag noch von mir weg. Ganz geheuer ist es mir nicht“, gesteht er. Seine Kunden hat er informiert. Froh ist er, dass seine Mitarbeiter – drei Verkäuferinnen und ein Bäckermeister – eine neue Stelle gefunden haben. Der baldige Abschied von ihnen stimmt ihn traurig. „Wir sind hier wie eine Familie.“

Zugleich freut er sich auf Klettertouren in den Alpen. „Und dass ich einfach mal mit meiner Frau am Freitagabend ins Kino kann.“ Was er sich noch vorgenommen hat? „Am ersten Advent gehe ich auf den Christkindlesmarkt – ich war noch nie dort.“ Er schmunzelt. „Ich habe immer nur die Dambedeis mit dem Auto hingebracht.“ Das traditionelle Gebäck, das bei der Eröffnung an die Besucher verteilt wird, stammt nämlich aus seiner Backstube. In diesem Jahr werden die gut 1 300 süßen Hefekerle zum ersten Mal seit 20 Jahren aus einem anderen Backofen kommen.

 

33749198!1

IN DER BACKSTUBE von Peter Winkler gehen bald die Lichter aus. Noch bis Ende November bleibt der Ofen an, dann gehen in dem Traditionsgeschäft im Weiherfeld die Lichter für immer aus. Foto: jodo

 


Kommentare


Kommentieren

Um Kommentare einzugeben, müssen Sie sich anmelden.

Email facebook twitter